In Medien, wie sozialen Netzwerken lesen und hören wir viele Worte, aus allen Richtungen, die offen oder abgemildert die Botschaft enthalten, man könne die jeweils anderen nicht verstehen und sie wären deshalb wahrscheinlich gehirngewaschen, dumm, unanständig oder gar böse. Dabei werden häufig Argumentationstechniken genutzt, mit denen vorgebrachte Themen durch Gegenfragen auf andere Bereiche verschoben und die ins Feld geworfenen Bälle in Ping Pong Manier mit Schmackes zurückgeschossen werden. Fragen werden nicht gehört und nicht beantwortet, schnell sind Totschlagargumente, Zuschreibungen, beißender Spott bis hin zu Beleidigungen im Spiel. Wenn sich dann doch auf ein vorgebrachtes Thema eingelassen wird, so oft nur zum Schein. Die Bezugnahme ist davon geprägt, dass Dinge absichtlich in einem falschen Zusammenhang dargestellt werden und starre Überzeugungsgrenzen eine echte Debatte in geistiger Offenheit und auf Augenhöhe unmöglich machen. So kann es irgendwann nur noch darum gehen, wer – rechtgeleitet durch eine angebliche Mehrheit – lauter schreien kann. Doch lautes Geschrei hat noch niemals überzeugen können, denn für die einen ist beispielsweise „Wir sind mehr“ eine Motivationsparole im Kampf gegen das Böse, für andere fühlt es sich bedrohlich an wie: „Wir haben Macht über euch und setzen unsere Interessen ohne Rücksicht auf Eure Sorgen und Nöte um.“. Eine Spirale aus Angriff und Abwehr, die von Gewalt gezeichnet ist. Eskalation auf die jeweils nächste Stufe ist vorprogrammiert. Um den Weg da raus zu finden, müssen wir erst mal verstehen, wo wir derzeit kollektiv hineingeraten sind.
Gehen wir einmal davon aus, dass die Einflussnahme von Medien, wie News, Videos, Film, Fernsehen und auch Musik in heutiger Zeit unermesslich ist und lassen wir diesen Gedanken, dass kaum einer von uns sich davon frei machen kann, einmal zu. Und lasst uns dann einmal die Frage stellen, was in den letzten Jahren dadurch mit uns und unseren Beziehungen geschehen ist. Divide et impera, teile und herrsche. Ein probates Mittel der Spaltung ist Angstmacherei. Menschen die in Angst sind lassen sich gut führen. Und auch hier greift die Beeinflussung durch mächtige Interessengruppen mittels Medien und unsere kollektive Mediensucht. Man weiß ja inzwischen, dass sich Smartphonesucht ähnlich Kokain auf unser Gehirn auswirkt. Das heißt diese Sucht wirkt sich neuronal flächendeckend aus, durch körpereigene Botenstoffe, als auch durch die Wirkung der Inhalte, die wir konsumieren. Angstgeleitet reagieren wir aus Überlebensimpulsen des Reptiliengehirns auf unsere Umwelt und sind schwerlich in der Lage uns in Mitgefühl und Vernunft miteinander auszutauschen. Für jeden gibt es heutzutage die passende Angst. Und je tiefer wir uns in unsere Ängste hinein manövrieren, um so stärker werden unsere Bewältigungsstrategien sich hervortun. Ob das Flucht, Unterwerfung, Erstarrung oder Kampf ist, entscheidet die psychologische Struktur des Einzelnen. Aber wer gibt offen zu oder nimmt es überhaupt erst wahr, dass es Angst ist, die ihn (ver-)leitet? Wir sind so früh auf diese Bewältigungsmechanismen konditioniert worden, dass wir in Situationen, die sich unkomfortabel anfühlen, oft ohne es zu merken auf Autopilot stellen. Zudem missverstehen wir diese Dynamiken häufig und halten sie für Eigenschaften, die unsere Persönlichkeit und unseren Charakter ausmachen. Für jeden die passende Angst heißt auch, dass wir durch unterschiedliche Prägungen eben auch unterschiedliche Köder hingehalten bekommen, damit man uns einfangen und dazu bringen kann bei diesem Jeder gegen Jeden - Informationskrieg mitzuballern. Die schier unerschöpfliche Munition dafür liefert YouTube und Co. Ich musste in den letzten Tagen an die weisen Worte von Peter Lustig denken, die er immer zum Ende der Kindersendung Löwenzahn sprach: „… abschalten.“ Wir sollten im Sinne des friedlichen Neubeginns viel öfter die Endgeräte ausschalten.
Was macht das nun alles mit unseren Beziehungen? Spätestens während der Corona Krise wurde voneinander auch in privaten Diskussionen, statt einem gefühligen, individuellen Ausdruck, dessen was einen bewegt, faktenbasiertes Argumentieren gefordert. Der Philosoph Matthias Burchardt nennt das „die Politisierung des Privaten“, was ich sehr passend finde. Für alles was gesagt wird, sollten ab jetzt Quellen benannt werden. Was aber seriöse Fakten und Quellen sind, darüber konnte bis heute keine Einigung erzielt werden. Wir möchten uns zum Beispiel daran erinnern, dass in den letzten Jahren Wissenschaftler, Ärzte, Historiker, Journalisten und andere Fachleute, die von der öffentlichen Leitlinie abwichen verunglimpft wurden, ihre Wikipedia Einträge verfälscht und diese Unwahrheiten verbreitet wurden, um sie öffentlich zu diffamieren und ihnen den Status der Glaubwürdigkeit abzuerkennen. Das heißt, das Debattieren mittels Fakten brachte uns nicht weiter, weil diese entweder aus der sogenannten Mainstream- oder aus der Verschwörungsblase kamen und daher von der jeweils anderen Seite nicht ernst genommen wurden. Der Psychiater Hans Joachim Maaz schlägt vor, dass wir die Sachebene absichtlich verlassen und wieder aus persönlichem und emotionalem Erleben heraus miteinander in Kontakt gehen, um einander vor diesem Hintergrund und auf Basis des Mitgefühls wirklich verstehen zu können. Ich teile diese Idee, denn was uns der angeblich rationale, faktenbasierte Sachverstand in Beziehungen einbrachte, gleicht einem Trümmerfeld.
Immer weniger Menschen fragen einander: Was macht dir Sorgen? Was bewegt dich? Wie fühlst du dich? Nur selten begegnen wir einander mit unvoreingenommener Neugier, beziehen ein, dass das Gegenüber eine individuelle Geschichte und ein ganz anderes Erfahrungsspekrum hat, als wir selbst. Die Fähigkeit offen zuzuhören und interessiert nachzufragen, zu verstehen und zu akzeptieren, auch wenn man manches selbst ganz anders wahrnimmt, findet man kaum noch. Inzwischen misstrauen wir einander immer mehr, haben Angst vor dem schneidenden Werturteil des anderen, das uns wieder die tiefe kollektive Verwundung spüren lassen würde, gemieden, abgelehnt, ausgestoßen zu werden. Der Mensch als des Menschen Wolf.
Während wir einst durchaus miteinander befreundet sein konnten, ohne umfassende politische Übereinstimmung haben zu müssen, bilden sich heute eher Verbindungen von Menschen, die ähnlich denken und sich gegenseitig die aufgewühlten Nervensysteme co-regulieren, indem sie einander in der eigenen Meinung bestätigen. Auch über unseren Medienkonsum suchen wir vorrangig Bestätigung und Bestärkung für unsere eigenen Überzeugungen. Über die Sucht nach Informationen wollen wir paradoxerweise Beruhigung und Sicherheit generieren. Wir fühlen uns wohl, wenn jemand Worte findet, die unsere Weltsicht unterstreichen. Überspitzt gesagt, obwohl ich glaube, dass es in der Tiefe wahr ist, deuten wir inzwischen oft eine andere Meinung als Angriff auf die eigene Sicherheit. Es steht zu befürchten, dass wir geistig immer weiter degenerieren, weil wir es nicht mehr aushalten miteinander zu ringen. Spätestens in der Corona Zeit begann die Spaltung der Gesellschaft, die sich wie in eine groß angelegte Bewusstseinsmanipulation zersetzend auf unsere mitmenschlichen Beziehungen auswirkte. Dieser Prozess der Zerstörung von Beziehungen setzt sich übergreifend fort und nimmt immer absurdere Formen an. Eine übermächtige Lügenmaschinerie, der wir uns nur Kraft der Erkenntnis, des freien Bewusstseins und der eigenmächtigen Entscheidung entziehen können.
Wir haben vergessen und verdrängt wie wichtig Beziehungen sind. In einer Welt, die sogenannte Individualität fördert, welche aber eher Narzissmus gleicht, in der Selbstliebe gepredigt, diese jedoch verwechselt wird mit pathologischer Selbstbezogenheit, in der Menschen unter dem Deckmantel der Selbstverwirklichung in ständiger Beschäftigung gehalten werden und sich so immer weniger spüren, in einer Welt, die ohne Unterschied auf Expansion ausgerichtet ist und damit den Transhumanismus vorantreibt, in dieser kranken Welt haben wir die Bedeutung der Stille, der Langsamkeit, der Verbundenheit zu unserer Natur und des echten zwischenmenschlichen Kontakts untergraben. Ich möchte dich heute fragen: Wie fühlst du dich? Ich will nicht dass du mir Statistiken und Artikel zeigst oder irgendwelche Influencer – Beeinflusser für dich sprechen lässt. Ich will nicht agitiert oder korrigiert werden von der Weltsicht eines anderen. Ich will jedoch wissen, wie die Welt durch deine Augen aussieht. Ich will wissen was das mit dir macht und warum. Ich mag deine Geschichte hören, so wie du sie erzählen möchtest. Und wenn du willst, erzähle ich dir meine.
Copyright: Jana Frymark

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